focus

Kunst im Fokus taktiler Wahrnehmung –
Berühren und berührt werden

Ausschnitte aus dem Text von Lucia Angela Cavegn, Kunsthistorikerin:

„Als experimentierfreudige Tüftlerin testet Mirjam Weidmann allerhand Werkstoffe aus, die man nicht in der Kunst erwarten würde. Ausgediente Telefonbücher haben bei ihr ebenso Verwendung gefunden, wie Schwemmholz, Asche, Kaffeesatz und beim Schleifen von Werkzeugen anfallendes Eisenpulver. Materialien des täglichen Lebens haben bereits in den sechziger Jahren die Vertreter des Nouveau Réalisme in die Kunst integriert. Weidmann allerdings kreiert keine Materialassemblagen, sondern hantiert eher wie eine Alchemistin, die verschiedene Pülverchen mit Pigmenten mischt und zum Teil auch chemische Prozesse einleitet, indem sie das Eisenpulver durch Säure zum Rosten bringt.“

„Weidmanns Vorgehensweise zeichnet sich nicht nur durch unbekümmertes Ausprobieren von Materialien und Techniken aus, sondern auch dadurch, wie sie ihre Bilder behandelt – nicht nur mit dem Pinsel, sondern vor allem mit eigenen Händen und dem Spachtel. Die Farb- bzw. Materialpulver bindet sie mit Leim, Wachs oder Kleister. Die Textur der Oberfläche aus Pulver, Pigmenten und Bindemittel ist das Resultat aus der Kombination von künstlerischer Handhabe und zufälliger chemischer Reaktionen. Die haptische Qualität verleiht ihren Werken über die Bildhaftigkeit hinaus objekthafte Präsenz im Raum. Weidmann bildet nicht die Realität ab, sondern vergegenwärtigt sie in ihren Bildern.“